Krebs im Kindesalter ist furchtbar – für das Kind selbst, seine Familie, seine Umwelt. Aber wer bei uns lebt, hat Chancen, die Krankheit zu überleben. Dank des medizinischen Fortschritts können heute ungefähr 80 % der erkrankten Kinder ein (fast) normales Leben führen.

Nicht so in vielen anderen Ländern der Welt, z. B. in Eritrea. In diesem ostafrikanischen Land ist die Diagnose Krebs auch heute noch ein Todesurteil. Es gibt im ganzen Land keine Krankenstation, keine Ärzte, keine Pflegekräfte für krebskranke Kinder und Jugendliche.

 

Krebserkrankungen von Kindern in Eritrea und die Möglichkeit der Hilfe

Uta Dirksen, ARCHEMED – Ärzte für Kinder in Not e.V.

Die Charta der Welt-Gesundheit-Organisation (World-Health-Organization, WHO) besagt, dass alle Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit erhalten müssen, sich voll nach ihren Fähigkeiten zu entwickeln „All children and adolescents should have the means and the opportunity to develop to their full potential. Life, survival, maximum development, access to health and access to health services are not just basic needs of children and adolescents, but fundamental human rights.” (http://www.who.int/topics/human_rights/en/). Eine der Grundvoraussetzungen für die Chancengleichheit auf der Welt ist eine sehr gute Gesundheitsversorgung. Krebserkrankungen im Kindesalter kommen in Ländern mit niedrigem Einkommen häufiger vor als in Ländern mit hohem Einkommen (Stefan DC. Patterns of distribution of childhood cancer in Africa. J Trop Pediatr. 61:165-173 (2015)). Über 80% der Kinder dieser Welt leben in Ländern, in denen es einen mittleren bis niedrigen Lebensstandard gibt. In Eritrea sind pro Jahr mehr als 500 Krebserkrankungen bei Kindern zu erwarten. Kein einziges Kind kann derzeit in Eritrea behandelt werden. Die Kinder sterben alle. Es gibt keine Palliativversorgung, die den Kindern und Jugendlichen helfen könnte, schmerzfrei und in Würde zu sterben. In einigen wenigen Ländern Subsahara Afrikas konnten erste Programme für die Behandlung einzelner onkologischer Erkrankungen umgesetzt werden Diese Protokolle werden bereits sehr erfolgreich in Ländern wie Malawi, Kenia, Ghana und dem Sudan umgesetzt. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe für „Pädiatrische Onkologie in Schwellenländern“ (Pediatric Oncology in Developing Countries, PODC) der „Internationalen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie“ (Societé International Oncologie Pédiatrique, SIOP) werden wir erste Programme zur Bekämpfung von Krebserkrankungen in Eritrea beginnen.

Das Kinderkrebsprogramm hat für die nächsten Jahre drei Ziele:

1. Renovierung einer Station in der noch von den Italienischen Kolonialisten gebauten Kinderklinik. Die Arbeiten hierzu haben bereits im Frühjahr 2016 begonnen.

2. Ausbildung und Weiterbildung von Ärztinnen, Ärzten und Pflegepersonal, um auf Dauer ein selbstständiges Arbeiten vor Ort zu ermöglichen. Die Behandlung onkologischer Patienten erlaubt keinen Aufschub. Es gibt definierte Therapieprotokolle, nach denen
Uta Dirksen, ARCHEMED – Ärzte für Kinder in Not e.V. Krebserkrankungen behandelt werden können. Die Etablierung und eigenständige Umsetzung der ersten Protokolle wird nach einiger Zeit möglich sein.
3. Es wird mit der Behandlung von zunächst zwei Krebserkrankungen des Kindes- und Jugendalters begonnen. Diese wurden ausgewählt, da es sich um Krankheiten handelt, die sehr gut heilbar sind. Die Krebserkrankungen heißen Wilmstumor und Hodgkin Lymphom. Über die SIOP PODC gibt es bereits Behandlungsprotokolle. Diese müssen sorgfältig für Eritrea gemeinsam mit den dort tätigen Kolleginnen und Kollegen angepasst werden.

Was ist ein Wilms Tumor (Nephroblastom)?

Das kleine Kind auf der Abbildung hatte einen bösartigen Nierenkrebs, diese Krebsart heißt Wilms Tumor (Nephroblastom). Diese Krebsart kommt bei Kindern im Vorschulalter vor. Die Heilungsraten für Kinder mit Wilmstumor liegen in Deutschland bei über 90%. Die Behandlung besteht in einer sehr milden Chemotherapie mit zwei oder drei Medikamenten und einer Operation, die in einer Entfernung der betroffenen Niere besteht. Wenn Tochtergeschwulste vorliegen, vor allem bei beidseitigen Nierentumoren, wird vor allem die Operation deutlich schwieriger. Wir würden daher nicht erwarten, in Eritrea eine ähnlich sehr gute Heilungschance zu erreichen wie in Deutschland. Wenn es aber gelingt, statt kein Kind etwa 30- 40 % der Kinder gesund zu machen, wäre das ein enormer Fortschritt.

Was ist ein Hodgkin Lymphom?

Am Hals des jungen Patienten erkennt man einen geschwollenen Lymphknoten. Der Patient hat ein Hodgkin Lymphom. Das Hodgkin Lymphom, ist ein Lymphdrüsenkrebs, der bei Kindern und auch Erwachsenen auftritt. Der Krebs ist hochbösartig, wächst aber langsam. Somit können auch Kinder und Jugendliche, bei denen die Erkrankung spät erkannt wird, geheilt werden. Dieses ist für Länder wie Eritrea wichtig, da die Patienten oft weit reisen müssen, bevor sie an ein Krankenhaus kommen. Ohne eine
Gewebeprobe kann das Hodgkin Lymphom zudem leicht mit der in Eritrea sehr häufig vorkommenden Tuberkuloseerkrankung verwechselt werden. Beide Erkrankungen führen zu Lymphknotenschwellung, Gewichtsabnahme und Nachtschweiß. Die meisten Patienten werden daher zunächst eine spezielle Behandlung gegen Tuberkulose erhalten. Erst wenn diese keine Wirkung zeigt, wird man nach einer weiteren Ursache für die Erkrankung fahnden. Somit ist zu erwarten, dass wir in Eritrea in der ersten Zeit mehr Patienten sehen werden, bei denen die Diagnose verschleppt wurde. In Deutschland liegt die Heilungsrate für die Patienten mit Hodgkin Lymphom bei 95%. Die Behandlung besteht aus drei bis sechs Kursen Chemotherapie. In Eritrea wird eine Behandlung mit einem milderen Schema durchgeführt werden müssen, damit die Kinder nicht durch Therapiefolgen sterben. Dieses wird dazu führen, dass die Heilungsrate nicht so hoch sein wird wie in Deutschland. Auch hier wäre es aber ein Fortschritt, wenn wir es schaffen, erstemals Kinder und Jugendliche heilen zu können.

Die Behandlung beider Erkrankungen ist somit mit relativ wenig Aufwand und in einem Land wie Eritrea möglich. Vorausetzung ist die Bereitstellung von Medikamenten und eine regelmäßige Schulung und Beratung der Ärztinnen und Ärzte vor Ort.

Ziel des Projektes ist, dass 30- 50% der Patientinnen und Patienten geheilt werden können. Die Heilung wird mit einem 2-Jahres-Überleben gemessen. Dieser Zeitraum ist für Patientinnen und Patienten mit diesen Erkrankungen adäquat, da ein späterer Rückfall unwahrscheinlich ist. Die behandlungsbedingte Todesrate sollte dabei unter 10% liegen. Hierbei ist zu beachten, dass bis dato keine Behandlung möglich ist und die Sterberate somit 100% beträgt. Die beiden oben beschriebenen Erkrankungen wurden ausgewählt, weil auch die Diagnosestellung mit wenigen Mitteln durchführbar ist. Es werden an technischen Geräten lediglich Ultraschall Geräte und Röntgen benötigt. Bei den Patienten mit Verdacht auf Hodgkin Lymphom wird eine ergänzende Nadelbiopsie durchgeführt. Die Proben können in Eritrea bearbeitet werden und mit Hilfe des Telemedizinprojektes der Organisation ARCHEMED [www.archemed.org] ausgewertet.

Den Bundesminister Dr. Gerd Müller konnten wir bei seinem Eritreabesuch im Dezember 2015 für das Projekt begeistern. Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) hat finanzielle Mittel bereitgestellt, die dafür sorgen, dass das Projekt starten kann. Die Mittel wurden über die Organisation ARCHEMed beantragt, da das Kinderonkologieprojekt ein gemeinsames Projekt von ARCHEMED und der Kinderkrebshilfe Eritrea ist . Es wurde bereits begonnen, mit den Mitteln der beiden Vereine einen Trakt in der wunderschönen, noch während der Kolonialzeit erbauten Kinderklinik zu renovieren.

Dauerhaft benötigt werden: Ø Reisemittel für Pflegepersonal und medizinischtechnische Assistenten Ø Mittel für Medikamente ( pro Kind 2000 €)